Gemeinwohl ist eine starke Basis für eine gelungene Gesellschaft 

Interview von Roland Grüter •

Interview von Roland Grüter •

Freiwilliges Engagement hält nicht nur Einzelne, sondern die Gesellschaft per se gesund. Davon ist die Stiftungsratspräsidentin Monica Vögele überzeugt.  Im Interview mit Roland Grüter stellt sie ihren Standpunkt dar.  


Wie wichtig ist Ihnen freiwilliges Engagement? Freiwillige Arbeit mögen Sie dieses ja nicht nennen. 

 Sehr wichtig. Ich bin der Überzeugung, wer sich für andere engagiert und einsetzt, leistet fürs Gemeinwohl einen wichtigen Beitrag. Das ist eine starke Basis für eine gelungene Gesellschaft – und in einer solchen wollen wir ja alle gerne leben. 

Wie und wo engagieren Sie sich persönlich? 

Mir liegt die Bildung sehr am Herzen. Im Vögele Kultur Zentrum in Pfäffikon ist mir beispielsweise die Vermittlung von Informationen, Wissen und Betrachtungsweisen wichtig. Das hilft Besucherinnen und Besuchern, ihren Blick für gewisse Themen zu schärfen, und fördert damit deren Urteilsfähigkeit. Das ist wichtig, wenn eine Gesellschaft fähig sein soll, Eigenverantwortung zu übernehmen. In der Stiftung Educa Swiss wiederum engagiere ich mich für direkte Bildungsförderung und -finanzierung. Denn auch in der Schweiz haben sozial benachteiligte junge Menschen oftmals wenig Chancen auf eine gute Ausbildung – und eine solche, so bin ich überzeugt, ist der Schlüssel zu einem erfüllten Leben, aber auch zu einem prosperierenden Staat. 

Sie hoffen darauf, im Kleinen zu wirken und Grösseres zu bewegen? 

Durchaus. Denn solche Engagements bringen nicht nur dem Einzelnen Erfüllung und Vorteile. Sie dienen auch der Volkswirtschaft, sparen womöglich mittelfristig Kosten und erhöhen sogar das Wohlbefinden und die Sicherheit einer Gesellschaft. 

Umgekehrt: Erfahren Sie oft, dass sich andere um Sie kümmern? 

(überlegt lange) Vielleicht bin ich da etwas eigen. Ich versuche möglichst unabhängig zu sein. Doch ich kann – nebst meiner Familie – durchaus auf einen wunderbaren Freundeskreis zählen, der mir in der Not zur Seite steht. 

Es sind viele junge Menschen mit unglaublich grossem Engagement und tollen Ideen für das Allgemeinwohl unterwegs.
— Monica Vögele

Bei welchen Gelegenheiten? 

Das können kleine organisatorische Problemchen sein. Oder auch einfach mal ein offenes Ohr zu erfahren. Das letzte Mal erlebte ich Unterstützung bei einem medizinischen Zwischenfall, als Freunde mich telefonisch bis tief in die Nacht begleiteten. 

In einem Satz: Was bewirken solche Erlebnisse? 

Einmal mehr die Erkenntnis, wie viel es bedeuten kann, wenn Menschen einfach nur Präsenz und Verständnis zeigen. Viel mehr braucht es oftmals gar nicht. 

Der Einsatz für andere stehe in der Krise, ist allerorts nachzulesen. Sorgen Sie sich auch um das soziale Engagement? 

Ja, sehr. Im Moment wird doch eine ausgeprägte Nabelschau zelebriert. Eine Tendenz, die junge Generationen nicht im Positiven prägt. 

Was ist falsch gelaufen? Waren wir, die Eltern, ihnen ein schlechtes Vorbild? 

Die Forderung, dass heute auf die Befindlichkeit eines jeden Einzelnen ad extremis eingegangen werden muss und dadurch die Gesellschaft als Ganzes immer weniger im Fokus steht, hat diese Bewegung stark vorangetrieben. Sicherlich kam in der Erziehung sehr oft die «Wattebäuschchen-Methode» zum Einsatz. Das vermittelt dem Nachwuchs, er sei absolut einmalig und grossartig. Da kann man es den heranwachsenden Generationen nicht verübeln, wenn sie glauben, sie und ihre persönlichen Empfindungen seien der Mittelpunkt der Welt. Was es aber auch gibt, und das ist umso schöner: Es sind viele junge Menschen mit unglaublich grossem Engagement und tollen Ideen für das Allgemeinwohl unterwegs. 

Oft genügt eine aufmerksame Geste, ein Stündchen Zeit pro Woche, um das Leben
anderer zu bereichern.
— Monica Vögele

Was bemerkenswert ist: Wer sich anderen widmet, ist ein Held, eine Heldin – wer sich beruflich stark einsetzt, ein Workaholic. Woher rührt das Image der guten Tat? 

Durch unsere vielen Ausstellungen habe ich gelernt, dass die Industrialisierung für fast alles im modernen Leben ein Kipppunkt war. Der Mensch wurde von der Natur und einem natürlichen Tages- oder Lebensverlauf abgekoppelt. Wir wurden buchstäblich Bestandteil einer grossen Maschinerie. Heute haben wir in zunehmendem Masse Zeit für die damit verbundenen Freiheiten, wir denken viel über die daraus resultierenden Konsequenzen nach und analysieren sie. Und trotzdem sind wir der Wirtschaft Untertan geblieben. Vielleicht suchen wir durch das überzeichnete Schönreden einer «guten Tat» ein Gegengewicht, einen Ausgleich. Hat uns das vorherrschende System doch darauf getrimmt, alles mit Geld aufzuwiegen. Jeder Handgriff hat heute doch ein Preisetikett. Nun, wenn mal eine Tat unentgeltlich stattfindet, ist sie nicht mehr selbstverständlich, sie ist eben gleich heldenhaft, eine gute Tat eben. 

Sollte das nicht selbstverständlich sein?  

Kurz und knapp: ja! 

Im Vögele Kultur Zentrum ist noch bis zum 5. Oktober 2025 eine Ausstellung zum Thema «ARBEIT- Vom Wollen, Dürfen und Müssen» zu sehen. Unbezahlte Arbeit ist darin ausgeschlossen. Weshalb? 

Die Erklärung ist simpel: Unbezahlte Arbeit – sei dies Care-Arbeit oder freiwilliges Engagement – ist ein ebenso riesiges Thema wie die Erwerbsarbeit. Es fehlt uns schlichtweg an Platz und Kapazitäten, beide Themen in einer Ausstellung zu vereinen. 

Haben Sie sich deshalb entschlossen, ein ganzes Bulletin und den ersten Kultur Twister darauf auszurichten? 

Es ist mir in der Tat ein grosses Anliegen, die positiven Seiten von freiwilligem Engagement in den Blickpunkt zu stellen. Aufzuzeigen, dass es vor allem auch dem Helfenden, dem freiwillig Tätigen spürbar Befriedigung und Sinnhaftigkeit gibt. Aber auch, dass es oftmals ganz wenig braucht, um Bedeutendes zu bewegen – eine aufmerksame Geste, eine Stündchen Zeit pro Woche. 

(Text entlehnt aus dem Vögele Kultur Bulletin Nr. 119  «Community Work – Weshalb freiwilliges Engagement die Gesellschaft stärkt»)


MONICA VÖGELE (*1960) ist Stiftungsratpräsidentin der Stiftung Charles und Agnes Vögele. Sie richtete im Jahr 2010 das Haus neu aus – Wissensvermittlung ist eines ihrer grossen Anliegen.


Mehr zum Vögele Kultur Twister finden Sie hier:

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